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Wie Wasser durch den Puck strömt: Von Druck und Geschwindigkeit.
Espresso zuzubereiten scheint auf den ersten Blick einfach: Man presst heißes Wasser mit hohem Druck durch fein gemahlenen Kaffee. Doch was im Espressopuck tatsächlich passiert, ist ein hochkomplexes Zusammenspiel von Druck, Strömung und Partikeldynamik. Dank einer Strömungssimulation können wir besser verstehen, wie Wasser innerhalb des Pucks fließt – und warum dies für den perfekten Espresso entscheidend ist.
Die CFD-Simulationen zeigen die physikalischen Prinzipien der Extraktion und erklären, warum gleichmäßige Verdichtung und ein durchdachtes Filtersystem so wichtig sind.
Druckverteilung im Espressopuck
Für die meisten Barista ist klar: das Manometer muss 9bar während der Extraktion anzeigen, sonst stimmt etwas nicht. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass der Kaffee selbst nur in einer ganz dünnen Zone 9bar (Relativdruck) Druck ausgesetzt ist. In vertikaler Richtung innerhalb des Pucks sinkt der Druck von 10 bar (Absolutdruck) bis zum atmosphärischen Druck am Filterboden ab. Dies geschieht aufgrund der Reibung zwischen Wasser und Kaffeepartikeln, was zu einem intensiven Druckgradienten führt.
Was bedeutet das für die Extraktion?
- Ein gleichmäßiger Druckabfall sorgt dafür, dass das Wasser gleichmäßig durch den Puck gepresst wird.
- Falls es in einem Bereich weniger Widerstand gibt (z. B. durch ungleichmäßiges Tampen), fließt das Wasser dort bevorzugt – ein Problem, das als Channeling bekannt ist.
- Eine homogene Verdichtung, wie durch den Barbro-Tamper, ist entscheidend, um eine gleichmäßige Extraktion zu gewährleisten.
Strömung in den Ecken des Filters
Die Simulationsergebnisse zeigen, dass die Wasserströmung in den Ecken des Filters schwächer ist als im Zentrum. Das bedeutet, dass in diesen Bereichen weniger Extraktion stattfindet. Dies gilt für die meisten Filter, da der Lochkranz in der Regel einen kleineren Durchmesser hat als das Sieb selbst.
🔎 Warum passiert das?
- Das Wasser sucht sich den Weg des geringsten Widerstands.
- In der Mitte des Filters befinden sich die meisten Löcher, weshalb hier mehr Wasser durchfließt.
- An den Rändern entstehen tote Zonen (grün), die zu einer ungenügenden Extraktion führen. Diese Zonen können weder durch Tampen, noch durch eine andere Vorbereitungsart verhindert werden.
Lösung:
- Einige Hersteller experimentieren mit Filtersieben, die mehr Löcher an den Rändern haben, um diesen Effekt zu minimieren.
- Barbro baut ein variables, perfekt zylinderisches Sieb mit austauschbaren homogenen Porositäten am Boden.
Warum entsteht eine Donut-förmige Strömung?
Die Strömungssimulation zeigt, dass am Filterauslass eine ringförmige Strömung entsteht.
Wieso passiert das?
- Durch das Fehlen der Löcher am äußeren Rand des Siebes sammelt sich die Strömung aus dem Randbereich an den äußersten Löchern, sodass es hier zu einer höheren Strömungsgeschwindigkeit kommt.
- Direkt neben den Bereichen mit geringer Extraktion liegen also Bereiche mit zu hoher Exktraktion.
- Dieses Phänomen findet übrigens auch zwischen den Filterlöchern statt.
Die hier diskutierte Simulation basiert auf der vereinfachten Annahme einer perfekt homogenen Porosität als Espressopuck bei gleichzeitiger homogener Einströmung des Wassers von oben. Sie stellt somit den Idealfall dar.
Die Realität
In Wahrheit gestalten sich die Strömungsfelder durch ein extraktionsbedingtes Phänomen weitaus komplexer. So basiert die Bildung der Crema auf dem Ausgasen von CO2 aus dem Wasser/Espresso (Sprudelflascheneffekt). Da der Druck innerhalb des Pucks jedoch abnimmt und Wasser bei geringerem Druck weniger CO2 aufnehmen kann, entweicht das meiste davon im unteren Puckbereich. Hier wird die Wasserstömung durch das zusätzlich austretende CO2 beeinflusst bzw. beschleunigt. Hierbei handelt es sich um strömungsmechanisch hochkomplexe Phänomene, die mit Modellen nur sehr schwer abgebildet werden können.