
Choked Flow, Entrainment und Schockstrukturen – was in der Dampflanze passiert
Milchaufschäumen sieht von außen simpel aus: Dampf in die Milch, fertig. Doch im Inneren der Dampflanze läuft Hochgeschwindigkeits-Strömungsphysik ab, die man sonst eher von Düsenjets kennt. Drei Begriffe helfen, das zu verstehen: choked flow, Entrainment und Verdichtungsstöße.
Choked Flow – der „Drosselpunkt“ des Dampfes
In der Düse der Dampflanze beschleunigt der Dampf aus dem Kessel (typisch 2–3 bar abs, 120–135 °C) in Richtung Umgebungsdruck (~1 bar).
- Ab einem kritischen Verhältnis Umgebungsdruck/Kesseldruck von ca. 0,55 erreicht die Strömung im Düsenhals Mach 1.
- Der Massenstrom ist dann nur noch von Kesseldruck und Düsendurchmesser abhängig, nicht mehr vom Gegendruck.
- Für den Barista heißt das: konstanter Dampfstrom, egal wie tief die Lanze in der Milch steckt.
Entrainment – Luft und Milch werden mitgerissen
Wenn der Hochgeschwindigkeitsstrahl austritt, reißt er Umgebungsluft und Milch mit sich – das ist Entrainment.
- Ziehen: Die Spitze knapp unter der Oberfläche – Luft wird angesaugt, feine Bläschen entstehen.
- Rollen: Die Spitze tiefer – keine Luft mehr, aber die Milch wird in Rotation versetzt, Blasen werden zerkleinert und gleichmäßig verteilt.
- Milchoberfläche: Die kritische Schnittstelle; hier entscheidet sich, ob feinporiger Mikrofoam entsteht oder grobe Blasen.
Verdichtungsstöße – Miniatur-Schockwellen im Dampfstrahl
Jetzt der Blick ins Strömungsinnere:
Wenn der Dampf in der Düse überkritisch expandiert, erreicht er Überschallgeschwindigkeit (Mach > 1). Aber:
- Hinter der Düse will sich der Strahl an den Umgebungsdruck (~1 bar) anpassen.
- Passt die Geometrie oder der Druck nicht exakt, entstehen Verdichtungsstöße (Schockwellen).
- Im Strahl bilden sich abwechselnd Zonen niedrigen statischen Drucks und plötzliche Kompressionszonen – ähnlich wie die „Diamanten“ im Nachbrennerstrahl eines Jet-Triebwerks.
Was bedeutet das für Milchaufschäumen?
- Unterdruckzonen zwischen den Schocks verstärken die Ansaugung von Luft in der Ziehphase.
- Kompressionszonen wirken wie „Mischhämmer“: sie zerreißen größere Blasen und erhöhen die Turbulenz.
- Das Ergebnis ist eine zusätzliche Feinverteilung der eingebrachten Luft → cremigerer, homogenerer Schaum.
Parallele zur Luftfahrt
- Beim Düsenjet sind die Stoßstrukturen sichtbar als „Mach-Diamanten“.
- Bei der Dampflanze sieht man sie nicht – aber man hört sie: das charakteristische Fauchen, wenn der Strahl in der Milch arbeitet, ist ein akustisches Abbild dieser Schock-Mischzonen.
Fazit
- Choked flow stabilisiert den Dampfstrom.
- Entrainment ist der Mechanismus, durch den Luft und Milch vermischt werden – gesteuert über die Milchoberfläche und die Position der Lanze.
- Verdichtungsstöße im Dampfstrahl wirken wie ein unsichtbarer „Mixer“, der Luftbläschen weiter zerkleinert und verteilt – ähnlich wie beim Strahltriebwerk.
Das Zusammenspiel dieser Effekte erklärt, warum aus einem unscheinbaren Rohr an der Espressomaschine feinster Mikrofoam entsteht – und warum es manchmal zischt, kracht und blubbert wie ein kleiner Jet.